„Meinen Frieden gebe ich euch!“

Nach Seiner Auferstehung begrüßt Jesus Seine Jünger: „Der Friede sei mit euch!“ (Joh. 20,20).
Aus dem Munde des gekreuzigten und auferstandenen Herrn erhält dieser Gruß eine besondere Bedeutung und einen besonderen Glanz.
Unmittelbar vor Seinem Tod hat Er Seinen Jüngern verheißen: „Frieden hinterlasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht wie die Welt ihn gibt, gebe ich ihn euch“ (Joh. 14,27).
Es ist eine neue Art von Frieden, die Jesus schenkt: Der Friede in der Liebe des Heiligen Geistes. Er wird von Jesus Seiner Kirche anvertraut. Sie trägt das Zeugnis des göttlichen Friedens, den Abglanz der Liebe Gottes in sich. Sie ist die Vermittlerin der Gnade des Heiligen Geistes und gesandt, diesen Frieden Christi an alle Völker und Menschen weiterzugeben.
Schon als Jesus das erste Mal seine Apostel aussandte, trug Er ihnen auf: „Betretet ihr ein Haus, so entbietet ihm den Gruß und sagt: Friede diesem Hause! Ist das Haus … dessen nicht wert, so soll euer Friedensgruß zu euch zurückkehren“ (Mt. 10,12f.).
Dieser Gruß ist hier mehr als nur ein Zeichen freundlicher Gesinnung. Hier wird eine neue Zeit angekündigt, eine neue Wirklichkeit, die mit dem Kommen Gottes in diese unsere verkehrte Welt begonnen hat und die schon lange prophezeit und erwartet war. Jesus trägt Seinen Aposteln auf: „Geht … zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Geht hin und verkündet: Das Himmelreich ist nahe. Heilt die Kranken, weckt die Toten auf, macht die Aussätzigen rein und treibt die Teufel aus“ (Mt. 10,6ff.).
Es geht um das Heil und um das Erscheinen der Gnade Gottes, wobei sich Jesus zunächst an das auserwählte Volk wendet. Jesus weint sogar über Jerusalem: „O wenn doch auch Du es erkannt hättest an diesem deinem Tag, was dir zum Frieden dient!“ (Lk. 19,42). Sein ganzes Leben bemüht Jesus sich um die Bekehrung Seines Volkes, wie uns die Evangelien berichten. Er betont, dass sie doch die Zeichen erkennen mögen, die Ihn als den wahren, von Gott gesandten Messias erweisen, und sagt auch sehr deutlich, dass sie nur im Glauben an Ihn das Heil und die Erlösung von den Sünden finden können: „Wenn ihr nicht glaubt, dass ich es bin, so werdet ihr in euren Sünden sterben“ (Joh. 8,24). Erst nach Seinem Tod sendet Er Seine Apostel in die ganze Welt: „Geht hin und macht alle Völker zu Jüngern, indem ihr sie tauft auf den Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes und sie alles halten lehrt, was ich euch geboten habe“ (Mt. 28,19). Es ist also nicht so – und es war auch nie Lehre der Kirche! -, dass das Volk Israel ohne Christus und die Taufe das Heil findet, wie heute viele offizielle „Kirchenmänner“ lehren, denn gerade das Volk, zu dem der Messias als erstes gesandt wurde, braucht Ihn am meisten!
Es geht hier nicht um Schuldzuweisungen, sondern um das Eingeständnis, dass wir alle gesündigt haben und der Gnade Gottes bedürfen. Dass wir Sein Heilsangebot nicht in falschem Stolz zurückweisen sollen. Jesus stellt sich uns vor als der gute Hirte, der Sein Leben für die Schafe hingibt (Joh. 10,11), der dem verlorenen Schaf nachgeht (vgl. Mt. 18,12), als welches wir uns alle ohne die Gnade Gottes durch die Sünde erkennen müssen, der um unsere Krankheit und Not weiß und der uns deshalb heilen will, indem Er betont: „Nicht die Gesunden bedürfen des Arztes, sondern die Kranken“ (Mt. 9,12). Er sagt ausdrücklich, Er sei „nicht gekommen, Gerechte zu berufen, sondern Sünder“ (Mt. 9,13), und stellt so das selbstgerechte Weltbild, das sich hinter der menschlichen Erwartung eines nur andere kriegerisch bekämpfenden Messias verbirgt, in Frage!
Der Friede, den Jesus bringt, ist die Versöhnung mit Gott und die Befreiung aus der Knechtschaft der Sünde. Deshalb sagt der auferstandene Christus: „Der Friede sei mit euch. Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch … Empfanget den Heiligen Geist. Wem immer ihr die Sünden nachlasst, dem sind sie nachgelassen, wem ihr sie behaltet, dem sind sie behalten“ (Joh. 20, 21ff.).
Insofern ist auch der Gruß des Friedens, den Er uns schenkt, viel mehr als das, was uns Menschen mit politischer Macht schenken können. In der Versöhnung mit Gott, die Er uns gebracht hat, liegt ein viel größerer und tieferer Friede als nur Verzicht auf menschliche Gewalt, wie sie durch Friedensabkommen angestrebt wird.
Der Friedensgruß besitzt deshalb in der Kirche, vor allem in der Liturgie eine nicht zu unterschätzende Bedeutung. Friedensgrüße finden wir aber auch in der Welt. Als David einen Friedensgruß an Nabal sandte (1Sam. 25,5), ging es ihm darum, von ihm Unterstützung zu erhalten, nachdem auch er Nabals Knechte verpflegt hatte. Hier und bei ähnlichen Gelegenheiten erscheint dieser Friedensgruß noch nicht als allgemein, sondern als Erweis besonderer Freundlichkeit und Ehre in einer bestimmten Situation (vgl.1Sam. 30,21; 2Sam 8,10; 18,28; 1Chr18,10).
Heute ist im Orient der Friedensgruß zwar traditionell nicht nur bei Christen, sondern auch unter Juden und Moslems weit verbreitet. Muslimische Gelehrte streiten sich allerdings, ob man ihn auch gegenüber Nicht-Muslimen verwenden darf. Im klassisch islamischem Recht ist nämlich der Krieg mit den „Ungläubigen“ der gewöhnliche Zustand, der durch Friedensabkommen nur zeitlich unterbrochen wird. Das Wort „Islam“ trägt in sich zwar den Wortstamm von Friede, aber bedeutet nicht Friede, sondern „Unterwerfung“.
Auch im Volk Israel hat sich eine solche Denkweise bis heute verfestigt. Viele Juden hoffen heute wie vor 2000 Jahren immer noch in diesem Sinn auf einen Erlöser, der im Krieg die Feinde besiegt und Israel wieder zu einem politisch mächtigen Gebilde erhebt.
Und so bleibt der Gruß des Friedens ohne die Gnade Gottes nur ein frommer Wunsch, der durch die Fehlhaltung des Menschen in der Sünde nie Wirklichkeit werden zu können scheint.
Jesus knüpft an die Erwartungen und an die Prophezeiungen zwar an: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe. Bekehrt euch und glaubt an die Frohbotschaft“ (Mk. 1,15). Eine neue Zeit ist gekommen, ein neues Reich, das Reich Gottes, ist nahe!
Doch von Anfang an macht Er klar, dass das Reich Gottes nicht in irdischer Macht und politischer Größe gefunden werden kann. „Das Reich Gottes kommt nicht in sichtbarer Weise. Man kann nicht sagen: Hier ist es oder dort. Denn seht, das Reich Gottes ist in euch!“ (Lk. 17,21). Es geht nicht um die Unterwerfung von anderen, sondern um die Bekehrung des eigenen Herzens, die Umgestaltung des eigenen Lebens durch die Öffnung für die Gnade und Liebe Gottes! Der Erlöser ist gekommen, die Herzen der Menschen aus ihrer Verhärtung und dem Gefängnis der Sünde zu befreien, ihnen ein neues Leben zu ermöglichen.
Die Menschen haben durch die Sünde das wahre Leben und den wahren Frieden verloren und können ihn aus menschlichem Bemühen allein nie wieder erreichen. In der Sünde ist kein wahrer Friede möglich. Selbst eine Art Waffenstillstand, ja sogar die Bemühung um Gerechtigkeit, münden ohne die Gnade Gottes durch die Selbstsucht des Menschen immer in Unfriede und Ungerechtigkeit, wie wir es in der Geschichte der Welt, der Ideologien und der angeblichen „Religionen“ immer wieder erleben. Nur derjenige, der die Sünde überwunden hat, kann das Herz der Menschen wieder mit Liebe und damit mit Frieden erfüllen.
Es ist ein Friede, der uns in der Gnade der Erlösung von Christus geschenkt wurde und an dem wir nur Anteil erhalten, wenn wir umkehren und unsere Sünden bekennen und bereuen. Die Kirche ist Werkzeug dieses Friedens, weil sie von Christus die Vollmacht erhalten hat, im Bad der Wiedergeburt (der Taufe) dem Menschen das neue Leben in der Gnade zu schenken und in Seinem Namen von Sünden loszusprechen, die den wahren Frieden mit Gott und den Menschen verhindern.
Die Liebe Christi und damit die Liebe der Glieder Seines mystischen Leibes zu Christus ist auch die Grundlage der Einheit der katholischen und von Jesus gestifteten heiligen Kirche. Es ist kein „fauler Friede“, wie ihn die Welt oft praktiziert, indem sie Wahrheit und Gerechtigkeit einfach „um des lieben Friedens willen“ hintanstellt.
Auch in der Kirche verfallen manche dem Missverständnis, den Frieden Christi mit einem bloß weltlichen „Frieden“ zu verwechseln, den sie durch billiges Taktieren und menschlich „kluges“ Verhalten erkaufen wollen. Sie verfehlen damit aber den wahren Frieden, töten letztlich die Liebe und stürzen sich und andere damit in Wahrheit nur in Unfriede und Ungerechtigkeit.
Ja, menschliche Schwäche kann den Frieden sogar in der Kirche erschüttern, wie wir es seit den Tagen der Apostel erleben, aber nie kann man ihn völlig vernichten oder beschädigen! Denn es ist der Heilige Geist selbst, in dessen Friede die Kirche Jesu gründet, die Liebe Christi, die in Seiner Kirche weiterlebt und die bis zum Ende der Tage niemals ausgelöscht werden kann: „Seht, ich bin bei euch bis ans Ende der Welt“ (Mt. 28,20).
Dort, wo der wahre Friede, die Wahrheit und die Gerechtigkeit nicht gesucht und abgelehnt werden, werden sie bekämpft. Das ist es, was Jesus gleichfalls betont, dass nämlich die Bemühung um den wahren Frieden und die wahre Liebe auch Kampf bedeuten kann: „Ich bin nicht gekommen, den Frieden zu bringen, sondern das Schwert“ (Mt. 10,34). Auch darauf sollen wir uns vorbereitet halten!
So wollen wir auch in unserem Leben den Frieden Christi leben, den Frieden mit Gott und unserem Nächsten suchen und dort, wo er erschüttert wurde, soweit es an uns liegt, auch wiederherstellen. Jesus betont immer wieder, dass wir die Versöhnung mit Gott nur finden können, wenn wir auch selbst bereit sind zu verzeihen: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern!“ (Mt.6,12).
Wir sollten auch nicht aus den Augen verlieren, dass all unser Tun, ja selbst der äußere Gottesdienst, wertlos bleibt, ohne unsere eigene Bereitschaft zu Gnade und Versöhnung! „Wenn du deine Opfergabe zum Altar bringst und dich dort erinnerst, dass dein Bruder etwas gegen dich hat, so lass deine Gabe vor dem Altar, geh zuvor hin und versöhne dich mit deinem Bruder; dann komm und opfere die Gabe!“ (Mt. 5,23).
Auch um die Einheit der Kirche wollen wir uns bemühen und für sie beten, vor allem um die immer größere Erkenntnis der Liebe Christi. Denn wo Christus wirklich und aufrichtig geliebt wird, wird auch die Wahrheit und die Gerechtigkeit nicht verletzt werden und somit wahre Einheit im Heiligen Geist gesucht und gelebt.
Nur in dieser Haltung folgen wir unserem gekreuzigten und auferstandenen Herrn Jesus Christus nach, nur so kann die Begegnung mit dem Auferstandenen auch für uns gnadenvoll werden, nur so finden wir selbst und findet die Kirche zum neuen Leben der Auferstehung mit unserem verklärten Herrn Jesus Christus!

Thomas Ehrenberger

 

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